Dienstag, 3. September 2013

Was die Anderen denken



Freunde gewinnen! Netzwerke pflegen! Impression Management!

Wer zu diesen Themen googelt wird eine Vielzahl an Buch- und Seminarangeboten finden. Das Thema ist im Grunde immer das Gleiche. Wie wirke ich sympathisch? Wie mache ich auf mich aufmerksam? Wie wirke ich selbstsicher und kompetent? Wie gewinne ich Ausstrahlung? Wie schinde ich möglichst viel Eindruck?
Der Anwendungsbereich kann dabei sowohl der berufliche Alltag, die Karriere, die Partnersuche oder das private Umfeld sein.

Nun ist daran aus stoischer Sicht zunächst mal nichts auszusetzen. Die Stoa sieht den Menschen als soziales Wesen an, der die Gemeinschaft Anderer braucht um naturgemäß und damit glücklich zu leben. Seneca rät ausdrücklich zur Pflege von Freundschaften, und Musonius ist ein großer Befürworter von Ehe und Familie.
Allerdings liegen Sinn und Zweck von Beidem bereits in sich selbst.

Beginne ich jedoch damit Freundschaften, Bekanntschaften, "Netzwerke" aus Kalkül zu suchen, um beispielsweise meine Karriere voran zu treiben, oder aber auch um meinen sexuellen Appetit zu stillen, gerate ich in die Situation, dass ich einer in sich sinnvollen, schönen und wertvollen Sache einen "Zweck" aufpropfe, der die ganze Angelegenheit pervertiert.

Ich komme dabei recht schnell in die Situation, Anderen so sehr gefallen zu wollen, dass ich, um nicht anzuecken, meine eigenen Werte und Vorstellungen hinten an stelle. So rede ich vielleicht meinem Chef nach dem Mund, obwohl ich anderer Meinung bin als er, weil ich auf die ausstehende Beförderung schiele. Oder die heiße Braut am Tresen lästert über irgendwelche Personen im Raum und ich mache fleißig mit, weil ich ihr halt schlicht an die Wäsche will, und glaube sie könnte mich sonst für langweilig halten.

Der Witz an der Sache ist der, dass ich möglicherweise in beiden Situationen besser dastehen würde, wenn ich mich zu meinen Werten und Ansichten offen bekannt hätte. Nicht nur dass die meisten Chefs keine servilen Ja-Sager mögen, auch Frauen testen Männer oft auf deren Selbstbewusstsein und Standfestigkeit, in dem sie bewusst eine Meinungsverschiedenheit provozieren.
Eine Kollegin von mir, eine junge, attraktive Frau die beim Ausgehen recht oft angesprochen wird, macht in der Disco beispielsweise gerne die Musik madig, sofern diese ihrem Verehrer zu gefallen scheint. Kippt dieser in seiner Meinung um und findet die Musik nun plötzlich auch nicht mehr so toll, ist er bereits ausgesiebt.

Wisse: sobald Du Dich mit der Außenwelt einlässt und einem da draußen zu gefallen wünschst, so hast du den Boden unter den Füßen verloren. 
(Epiktet-Handbüchlein der Moral, 23)

Trotz ihrer Wertschätzung für Familie und Freundschaft betrachten die Stoiker (ganz im Gegensatz zu moderner Ratgeber-Literatur) unseren Ruf, unser Ansehen als etwas, was völlig außerhalb unserer Kontrolle liegt. Was Andere über uns denken liegt ganz alleine in deren Machtbereich! Glaube ich aber die Kontrolle über etwas zu besitzen, das aber in Wahrheit völlig unabhängig von meinen Bemühungen ist, werde ich über kurz oder lang scheitern und verzweifeln.

Hältst du für frei, was seiner Natur nach unfrei ist, und für dein eigen was fremd ist, so wirst du viele Schwierigkeiten haben, Aufregung und Trauer, und wirst mit Gott und allen Menschen hadern. (Epiktet-Handbüchlein der Moral, 1)  

Ich weiß nicht wie es dem Leser geht, für mich war das erstmal schwere Kost. Ich muss doch irgendwie die Möglichkeit haben, zu steuern wie andere mich wahrnehmen! Und wenn ich mich entsprechend verhalte, erkennt mein Umfeld auch was ich für ein netter Kerl bin, oder?
Allerdings gab es im beruflichen Alltag mehrere Schlüsselerlebnisse, die alle nach dem gleichen Schema abliefen, und auf eben diese Machtlosigkeit bezüglich der Meinung Anderer hinzudeuten schienen.
Ein Beispiel:
 Ich fällte eine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen, in der Meinung Kollege X damit einen Gefallen zu tun (was objektiv auch so war!) und erfuhr nach einigen Wochen hintenrum, dass dieser Kollege herum erzählte wie arrogant ich sei, dass ich ihn hätte vorführen wollen etc. 
Oder aber ich bekomme mit wie Gespräche bei denen ich als Zuhörer anwesend war, und die meiner Ansicht nach sachlich und konstruktiv verlaufen sind, von Kollegen plötzlich so dargestellt werden, dass einer der Beteiligten in wesentlich schlechterem Licht dasteht als er verdient hätte.
Oder ich weise einen Kollegen, um ihn zu schützen, diskret auf ein Fehlverhalten seinerseits hin, was ihm u.U. eine Abmahnung einbringen könnte, und bekomme zu hören, dass ihm das scheißegal sei, und ich wohl glaube, dass ich ihm irgendetwas zu sagen hätte.
Wenn Menschen beschlossen haben, dass wir ihnen unsympathisch sind, gibt es nichts(!) was wir dagegen unternehmen können. Dieser Gedanke sollte uns aber nicht deprimieren, sondern vielmehr sollten wir die Freiheit erkennen die darin liegt. Nämlich die Freiheit unter allen Umständen das zu tun, was wir selbst für das Wahre, Gute und Schöne halten.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          





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