Montag, 2. September 2013

Warum sollte ein Stoiker Zazen praktizieren?

Die Stoa rät uns, nichts zu tun, was keinen Sinn hat. Gleichzeitig spricht man im Zen davon, dass Zazen uns "überhaupt nichts bringt". Welchen Grund also sollte es geben, dass ein Stoiker trotzdem meditiert?

In seinem Buch "Philosophie fürs Leben...und andere gefährliche Situationen" schreibt Jules Evans: "Viele moderne Stoiker meditieren." Leider geht er nicht näher auf dieses Thema ein.

Für mich persönlich haben sich aus der Beschäftigung mit der Stoa folgende Beweggründe herauskristallisiert Zazen zu praktizieren:

  1. Zazen ist eine Form "kosmischer Betrachtung". "(...) umfasse nur mit Deinem Geist das ganze Weltall, betrachte die ewige Dauer, und dann wieder die rasche Verwandlung jedes einzelnen Gegenstandes; welch kurzer Zeitraum liegt zwischen der Entstehung und der Auflösung der Geschöpfe, wie unermeßlich ist die Zeit, die ihrer Entstehung voranging, wie unendlich gleicherweise die Zeit, die ihrer Auflösung folgen wird!" (Mark Aurel-Selbstbetrachtungen, Buch 9, Vers 32).  Zazen erlaubt mir, mich mit etwas Höherem als mir selbst zu verbinden, Abstand zu gewinnen zu den Banalitäten des Alltags und das große Ganze aus höherer Warte zu betrachten.
  2. Zazen besteht aus dem Akzeptieren der Dinge wie sie sind, dieser eine Augenblick ist gut so wie er ist, trotz Schmerz, Langeweile, dem Impuls aufzuhören etc. Den Augenblick zu akzeptieren und IM Augenblick zu leben ist sowohl im Buddhismus als auch in der Stoa eines der großen Themen.
  3. Zazen ist eine Form des "freiwilligen Non-Komfort", wie es William B. Irvine in "A Way to the good Life" beschreibt. Oft wollen wir kein Zazen machen, oder haben Hunger, Durst, Langeweile oder Schmerzen dabei. Die Stoiker nahmen oft asketische Übungen wie freiwillige Armut auf sich, um ihren Geist für den "Ernstfall" zu stärken, oder die vorhandene Bequemlichkeit ihres Daseins neu schätzen zu lernen. Auch Zazen stärkt Willen und Durchhaltevermögen. Gleichzeitig nehme ich nach Zazen Sinneseindrücke wieder bewußter und intensiver wahr und erlebe oft eine Flut von Lebensfreude.
  4. Zazen ist eine Form der Entspannung und des Ruhe finden innerhalb des Karussells aus Pflichten und Vergnügungen des Alltags. Es erdet mich und führt mich auf das Wesentliche zurück. Auch wenn man glauben könnte, dass die Stoiker eine Art antiker Workoholics waren, die nur Pflichten kannten, war ihnen auch klar, dass der Mensch in seinen Aufgaben auch Maß halten sollte und der Ruhe bedurfte:"Arbeite! Aber nicht wie einer der bewundert oder bemitleidet werden möchte! Arbeite oder ruhe, wie es für die Gemeinschaft am besten ist!"-Mark Aurel
  5. Beim Zazen lassen wir die Gedanken vorüber ziehen ohne an ihnen zu haften. Durch diesen enstehenden "Raum" zwischen uns und unserem Denken lernen wir unsere Lieblingsgedanken, Fantasien, Interpretationen kennen. Das verschafft uns die Chance, diese auch im Alltag eher wahrzunehmen und zu verändern.
  6. Und Zazen ist letztendlich eine Möglichkeit uns jederzeit in uns selbst zurückziehen zu können, ohne dazu die Einsamkeit des Landes oder der Berge zu suchen, wie es Mark Aurel an mehreren Stellen empfiehlt.

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