Freitag, 29. November 2013

Kannst Du Dein ABC?

Albert Ellis gründete die Rational Emotive Verhaltenstherapie auf der stoischen Lehre, dass erst unsere Bewertungen und Meinungen ein von außen kommendes Ereignis in unseren Augen gut oder schlecht erscheinen lassen.
Zur Verdeutlichung benutze er das ABC, indem er A das auslösende Ereignis zuordnete, B unsere Vorstellungen, Meinungen, Interpretationen und C die Reaktion, meistens in Form einer emotionalen Regung.
Ein einfaches Beispiel:

A Die Ampel ist rot. Eine einfache Tatsache, zunächst mal weder gut noch böse.
B Meine Interpretation: "Schon wieder eine rote Ampel, immer habe ich Pech, jetzt dauerts wieder ewig bis es grün, wird, wahrscheinlich komme ich zu spät zur Arbeit, dann meckert der Chef wieder...."
C Meine Reaktion:  Ärger, Stress, Angst...

Die Schwierigkeit besteht darin, sich Schritt B bewußt zu machen. In unserem Alltagsempfinden nehmen wir B kaum wahr, sondern liefern uns direkt unserer emotionalen Reaktion aus. Wir springen also direkt von A nach C und halten unsere Reaktion für absolut plausibel und gerechtfertigt.

Eine Kollegin, die im gleichen Büro arbeitet wie ich, singt recht gerne. Meistens dann wenn sie irgendwelche Routine-Arbeiten erledigt, wie ihren Schreibtisch putzen oder den Gummibaum gießen. Dann trällert sie fröhlich vor sich hin. Ihre Stimme ist nicht schlecht, allerdings bemerkte ich irgendwann, dass sie mir damit fürchterlich auf die Nerven fiel.

Als ich die ABC-Schritte im Kopf durchging, registrierte ich zum ersten Mal, dass B ungefähr so aussah: "Jetzt singt sie wieder, die meint wunders wer sie ist, als ob jeder ihre Singerei hören wollte, was denkt die eigentlich, wer sie ist..."

Als mir klar wurde, dass mein Genervtsein nur von diesem inneren Dialog herrührte unterbrach ich ihn sofort, und siehe da: Plötzlich blieb da lediglich der Sinneseindruck  einer Frau die sang zurück, und mich überkam ein merkwürdig friedliches Gefühl.

Es lohnt sich, diese Übung mal auszuprobieren!

Donnerstag, 28. November 2013

Was mir im Wege steht WIRD mir zum Weg!

- Mark Aurel, Selbstbetrachtungen V, 20


Montagmorgen, Du kommst zur Arbeit, zwei Deiner Kollegen sind überraschend krank und ihre Arbeit bleibt an Dir hängen.
Du bist auf dem Weg in den wohlverdienten Urlaub und gerätst in einen Riesenstau auf dem Weg zum Flughafen.
Deine Freundin eröffnet Dir, dass sie mit einem anderen schläft und Du bitte bis zum 15. des Monats ausziehen möchtest.

Wer kennt sie nicht, die Schleudern und Pfeile des Geschicks?

In seinem Buch „Greeks to Geeks“ zitiert der Autor und Musiker Rohan Healy obigen Ausspruch Mark Aurels, glaubt aber, dass es sich dabei um einen buddhistischen Lehrsatz handele. Der Kern dieser Aussage ist, dass alle o.g. und ähnlichen Situationen des Lebens nicht nur einfach Kacke sind, sondern gleichzeitig etwas enthalten. Nämlich eine Lehre, eine Herausforderung oder einen positiven Aspekt. Bis man Letzteres findet, können unter Umständen Jahre ins Land ziehen, und auch die Lehre aus einer Situation kann zunächst einmal nicht klar erkennbar sein. Der Herausforderung aber können wir uns sofort stellen. Erfordert diese Situation Tapferkeit? Oder Selbstbeherrschung? Zeigt sie uns worüber wir die Kontrolle haben und worüber nicht? Erfordert sie die Tugend der Mäßigung? Enthält sie eine Versuchung zum "Foul Play"?
Epiktet sagt, man solle sich jeder Situation gegenüber klar machen, welche eigenen Ressourcen man gegenüber Schwierigkeiten besitzt.

Montagmorgen, Du kommst zur Arbeit, zwei Deiner Kollegen sind überraschend krank und ihre Arbeit bleibt an Dir hängen.
Du ermahnst Dich zur Ruhe und Übersicht, ordnest Die anstehenden Arbeiten nach Prioritäten, erledigst das Wichtigste zuerst, delegierst das weniger wichtige und vermeidest es ins Lamentieren Deiner Kollegen mit einzufallen.
Du bist auf dem Weg in den wohlverdienten Urlaub und gerätst in einen Riesenstau auf dem Weg zum Flughafen.
Du machst Dir klar, dass Du jetzt und hier nichts mehr ändern kannst, ermahnst Dich zur Ruhe, und überlegst schon einmal Alternativen für Deinen Urlaub.
Deine Freundin eröffnet Dir, dass sie mit einem anderen schläft und Du bitte bis zum 15. Des Monats ausziehen möchtest.
Harte Nuss zugegeben! Aber auch hier gilt: Das Verhalten der Anderen kannst DU nicht kontrollieren. Ein Mensch hat Dich enttäuscht, Alltag! Lass Deinen Schmerz zu, ermahne Dich aber so schnell wie möglich wieder zur Vernunft und mach Dir klar, dass es a) die große Liebe nicht gibt und b) kein anderer Mensch, keine Beziehung, sonder nur Du selbst Dir den Himmel oder die Hölle auf Erden schaffst.

Alle Beispielsituationen ändern sich dadurch nicht, das KÖNNEN sie auch garnicht, aber DU änderst Dich. Und wir erinnern uns: Wir, unsere Meinungen und unser Handeln ist das einzige was unserer Kontrolle unterliegt!




Sonntag, 10. November 2013

Stoa und die Religion

Immer wieder begegnet mir die Behauptung, dass ein Leben nach der stoischen Philosophie zu keinerlei Konflikten mit einer wie auch immer gearteten religiösen Überzeugung führt. Begründet wird das damit, dass die religiösen Vorstellungen der Stoiker selbst stark variierten. Vom Glauben an einen intelligenten, alles regelnden Gott bis hin zum reinen Tanz der Atome sind alle Überzeugungen vertreten. Die Stoa selbst verstand sich nicht als Religion. Von daher fehlen natürlich Dogmen, Rituale, unfehlbare Meister oder Priester, Gebete, Feste und was sonst noch alles dazugehört. Von daher könne man ruhig seine Religion ausüben und trotzdem nach stoischen Grundüberzeugungen leben und handeln.

Ich sehe das anders. Zum einen weil JEDE Art von Überzeugung die unser Dasein und unser Menschenbild betrifft zwangsläufig die Religion berührt. Zum andern weil es in nahezu jeder Religion, die nicht irgendwie verwässert oder modernisiert daher kommt, Vorstellungen und Handlungsanweisungen gibt, die mit der Stoa in Konflikt geraten.

Ich möchte das am Beispiel des Christentums erläutern:

- Das Christentum glaubt an einen persönlichen Gott, der auf unsere Gebete antwortet und reagiert. Daraus resultiert oft die Vorstellung, durch Gebete bespielsweise auf Krankheit, Tod, Unfälle etc. positiv einwirken zu können. Das gerät aber in Konflikt mit der Aufteilung der Dinge in kontrollierbare und nicht kontrollierbare.
- Das Christentum glaubt an die sogenannte Erbsünde. Im protestantischen Spektrum wird daher stark betont, dass der Mensch sich nicht aus eigener Kraft zum Guten hin entwickeln könne und ganz auf die Gnade Gottes angewiesen ist. Die Stoiker dagegen glauben, dass jeder Mensch die Fähigkeit hat Tugenden zu entwickeln und sich stetig zu verbessern.
- Vor dem Hintergrund, dass ich das Verhalten anderer Menschen nicht kontrollieren kann, und mich ihr Tun und Lassen daher nicht weiters anfechten solle verbietet sich aus Sicht der Stoa jegliche Art von Bevormundung, Predigt, Missionierung etc. Vor allem letzteres gebietet das Christentum aber ausdrücklich.
- Die Vorstellung eines Gottes der belohnt und bestraft führt unter Umständen zu der Überzeugung, dass ich durch mein Verhalten auf mein Schicksal einwirken kann. Beispielsweise könnte Gott gutes Verhalten mit einem besonderen Schutz belohnen, oder aber Krankheit, Unfall, Tod schicken um zu strafen. Auch das führt zu einer falschen Kontrollüberzeugung.
- Das Christentum sieht das Leben als Geschenk Gottes und lehnt daher jede Art von Euthanasie oder Suizid ab. Die Stoa erlaubt beides unter bestimmten Umständen

Bis auf das Konzept der Erbsünde betreffen die genannten Beispiel auch die beiden anderen abrahamitischen Religionen. Und Islam und Christentum sind nun mal am weitesten verbreitet.
Sicher, man könnte einwenden, die o.g. Beispiel entsprängen einer archaischen Art des Christentums, und hätten mit dem "modernen" Glauben nichts mehr zu tun. Dazu zwei Dinge:

- die Beispiele entsprechen genau dem Christentum wie ich es erlebt habe und erlebe, und wie es in konservativen und evangelikalen Kreisen gelebt und gelehrt wird.
- wer nicht mehr an einen persönlichen Gott glaubt, an die Wirksamkeit von Gebeten, an die Notwendigkeit der Gnade durch Jesus Christus, an Lohn und Strafe...welchen Grund hat derjenige dann noch sich Christ zu nennen?

Die Stoa von Marcel Dorfer



Auch im deutschsprachigen Raum gibt es Versuche, die Stoa für den Alltag des 21. Jahrhunderts handhabbar zu machen. Einer dieser Versuche ist das o.g. Buch. Obwohl das Anliegen des Autors absolut zu ehren ist,  scheitert der Anspruch des Buches ein Praxishandbuch zu sein an der Fülle von Informationen in nahezu unleserlicher Form. 
Der Autor reiht einen Schachtelsatz an den anderen, durchsetzt mit Klammern, Einschüben,Alternativformulierungen, Wiederholungen und Fachbegriffen. Die Übungen erschöpfen sich in stereotypen Anweisungen "man soll" über unrealistische Zeiträume hinweg.
Beispiel:
S. 60: "Die Tugend (àreté, virtus)- das Wesen des Guten; die in sich selbst einstimmige Vernunft; das abstrakte Ganze der Teile als solches, während tugendhafte Handlungen an ihr teilhaben (und Mittel zum Glück sind)- ist das grundsätzlich einzige Hilfsmittel des Menschen, das ihm zur Erreichung der Glückseligkeit im privaten wie auch im öffentlichen Leben zur Verfügung steht."

Im angelsächsischen Raum, der stark durch die Stoa beeinflusst wurde, ist es seit jeher gute Tradition, dass Fachbücher bei aller gründlichen Recherche und der hohen Kompetenz des Autors leicht und flüssig zu lesen sein müssen. Auf Fachtermini wird weitestgehend verzichtet, und der Anspruch ist es, dem Laien ein hochkomplexes Thema verständlich zu machen.

In Deutschland dagegen will der Autor eher mit seinem Fachwissen glänzen und zwingt den Leser, sich mit ihm aufs intellektuelle Hochreck zu schwingen. Mancher glaubt, je komplizierter er sich ausdrückt, desto wissenschaftlicher kommt er daher.


...schreibe, was zu schreiben ist, in einfachem Stile, wie es Dein Bedürfnis von Dir fordert, nicht um für Deinen Ruhm zu sorgen. -Seneca, Von der Gemütsruhe



Dienstag, 5. November 2013

Monismus ganz banal...

...oder mal ne Runde ums Haus laufen.

Heute habe ich mich geärgert! Und zwar richtig! Über so einen Idioten auf der Arbeit, der mich für eine Sache anmachte, mit der ich nichts zu tun hatte, und Versuche ihn zu informieren als "Belehrungen" abtat. Bei der ganzen Geschichte konnte ich den Eindruck nicht loswerden, dass ich ihm einfach unsympathisch war, und es ihm schlichtweg ein Vergnügen war, mich zu ärgern. Da er Kunde war blieb mir nichts übrig als mir auf die Zunge zu beißen.

Nun besitzt der Stoiker ja ein ganzes Arsenal an mentalen Techniken, mit Beleidigungen umzugehen. Letztlich laufen alle darauf hinaus, sich klar zu machen, dass man das Verhalten des Beleidigers nicht kontrollieren kann, dass man sich aber auch den hingehaltenen Schuh nicht anzuziehen braucht.

Nützte aber alles nichts.

Ich war immer noch sauer.

Dann ging ich zum Sport und tobte mich aus.

Und siehe da: Die Tatsachen hatten sich zwar nicht verändert, allerdings meine Haltung dazu. Ich spürte deutlich mehr Abstand zum Geschehenen, und es belastet mich nicht mehr allzusehr.

Manchmal glauben wir, wir könnten Probleme in unserem Geist auch nur mit unserem Geist lösen. Das ist das Erbe unserer Geist-Körper-Seele-Aufteilung, die wissenschaftlich nicht mehr haltbar zus ein scheint. Auch Dein Kopf, Dein Geist,  Dein Gehirn ist KÖRPER, und darauf angewiesen, dass die chemischen und elektrischen Prozesse darin reibungslos funktionieren. Fehlt es beispielsweise an dem Botenstoff Serotonin, sieht die Welt grau aus und wir fallen in Depressionen. Diese wiederum lässt sich nicht wegdiskutieren, es ist ein körperliches, ein materielles Problem.
Und wird Dein Körper aufgrund einer Auseinandersetzung mit Adrenalin geflutet, kannst Du selbiges nicht einfach "wegdenken".
Tust Du aber das, wozu es eigentlich da ist, indem Du kämpfst, fliehst oder eben Sport treibst, sprich Du tust das naturgemäße in dieser Situation, dann wird das Adrenalin abgebaut und plötzlich sind riesige Probleme und Auseinandersetzungen  gar nicht mehr so riesig.

Im Zusammenhang mit Zazen hat Muho einmal sinngemäß gesagt: "Deinem Geist ist es nicht egal, was Du mit Deinem Körper tust." Das bringt es ziemlich auf den Punkt. Also wenn die Probleme, der Stress und die Mitmenschen zu anstrengend werden: Lauf ein paar Runden ums Haus und schau was passiert!

Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen und die Urteile über die Dinge. Epiktet - Handbüchlein der Moral, 5