Mittwoch, 12. Februar 2014

Schädliche Gedanken No. 2

Das nächste schädliche Gedankenmuster:

Die Menschen, mit denen ich Kontakt habe, müssen mich freundlich und fair behandeln;Wenn sie das aber nicht tun, so muß man sie dafür zur Verantwortung ziehen bzw. sie  verurteilen und verdammen.Ich denke: Es ist schrecklich, wenn du mich weniger freundlich behandelst als du es solltest. Du bist ein ausgesprochen schlechter Mensch, wenn du mich weniger freundlich oder fair behandelst als du solltest.
Menschen behandeln uns mies. Sie sind unhöflich, beleidigend, betrügerisch, aufdringlich, unfreundlich, unfair, grob, verletzend und so weiter und so fort. Und das täglich, unser ganzes Leben lang. Und das offensichtlich nicht nur in sozialen Brennpunkten, sogar der einstmals mächtigste Mann der Erde hat diese Erfahrung in seinem Umfeld machen müssen. So schreibt der römische Kaiser Mark Aurel in seinen Selbstbetrachtungen:


Sage zu Dir in der Morgenstunde: Heute werde ich mit einem unbedachtsamen, undankbaren, unverschämten, betrügerischen, neidischen, ungeselligen Menschen zusammen treffen.
Das Verhalten der Anderen unterliegt nicht unserer Kontrolle. Wenn wir unsere Energie darin verschwenden, das Verhalten der uns umgebenden Menschen nach unseren Wünschen korrigieren zu wollen, schaffen wir uns damit eine nie versiegende Quelle der Frustration. Wenn wir darüber hinaus noch alle Menschen zur Rechenschaft ziehen wollen, die uns angeblich schlecht behandelt haben, vergiften wir unser Leben mit Hass, Rache und anderen unheilsamen Emotionen. Darum sehe ich Jesu Aufforderung zum Beten für unsere Feinde auch nicht in erster Linie als Verleugnung unserer eigenen Rechte und Standpunkte, sondern vor allem als Anleitung zur eigenen psychischen Gesundheit. Im Buddhismus gibt es Ähnliches, aber dazu ein andermal mehr.
So ergeht sich Mark Aurel auch nicht in der Vorwegnahme von Rache und zur Rechenschaft ziehen, sondern fährt fort:

Alle diese Fehler sind Folgen ihrer Unwissenheit hinsichtlich des Guten und des Bösen.
Er betrachtet seine unangenehmen Mitmenschen also weniger als böse und verdorben, sondern vielmehr als schlecht unterrichtet. Im Grunde nimmt er damit die Position eines Vaters zu seinen Kindern ein, der seine Kinder nicht als schlecht und verkommen ansieht, wenn sie sich nicht benehmen, sondern als der Erziehung und Anleitung bedürftig.

Ich aber habe klar erkannt, dass das Gute seinem Wesen nach schön, und das Böse hässlich ist, dass der Mensch der gegen mich fehlt in Wirklichkeit mir verwandt ist (...) weil wir gleichen Anteil an der Vernunft, der göttlichen Bestimmung (haben). Keiner kann mir Schaden zufügen(...).Ebensowenig kann ich dem der mir verwandt ist zürnen oder ihn hassen, denn wir sind zur gemeinsamen Wirksamkeit geschaffen, wie die Füße, die Hände, die Augenlider, wie die obere und untere Kinnlade. Darum ist die Feinschaft der Menschen untereinander wider die Natur. Unwillen aber  und Abscheu in sich zu fühlen IST eine Feindseligkeit (Hervorhebung von mir).

Mark Aurel sieht die Feindschaft gegen andere Menschen also als einen Verstoß gegen den stoischen Grundsatz in Übereinstimmung mit der Natur zu leben. Die Menschen sind vielmehr zur Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung geschaffen.

Das Verhalten unserer Mitmenschen ist zunächst mal eine nackte, unvermeidbare Tatsache, die jenseits unserer Kontrolle liegt. Propfen wir aber jetzt noch eigene Emotionen und Urteile auf diese Fakten, schaden wir am allermeisten uns selbst. Wir vergiften unseren Geist mit Hass und Feindschaft, und fallen aus dem naturgemäßen Leben heraus.


Sonntag, 9. Februar 2014

Schädliche Gedanken No 1

...und das stoische Gegenmittel.

Auf dieser Website habe ich drei schädliche Denkmuster entdeckt, die auf Albert Ellis den Gründer der REVT zurück gehen. Beim Lesen fiel mir zum Einen auf, wie sehr ich selbst von derartigen Denkmustern betroffen bin, aber auch wie die "Therapie" in Form stoischer Philosophie aussehen könnte.

Ich muss bei den Dingen, die ich tue, erfolgreich bzw. perfekt sein und muss die Wertschätzung und Anerkennung der Menschen haben, die mir wichtig sind.Ich denke: Ich bin nichts wert, wenn ich nicht erfolgreich bin und die anderen mich nicht wertschätzen.

Erfolg zu haben liegt außerhalb unserer Kontrolle. Erfolg ist von so vielen äußeren Faktoren abhängig, dass es nichts(!) gibt, was uns Erfolg garantieren kann. Nichtsdestotrotz gibt es Verhaltensweisen, die die Aussicht auf Erfolg, egal in welcher Hinsicht, zumindest erhöhen. Fleiß, Selbstdisziplin, Zielstrebigkeit, Leidenschaft um nur einige zu nennen.
Was baer, wenn trotz aller Bemühungen der Erfolg ausbleibt? Ist es dann vernünftig mich als Versager zu sehen, mein Leben als nicht mehr lebenswert zu betrachten und anderen ihren Erfolg zu neiden?
Der Stoiker setzt seine Bemühungen in den Bereichen ein, die seiner unmittelbaren Kontrolle unterliegen. Dazu gehören auch die oben genannten Verhaltensweisen. So wird ein Sportler für Olympia alles daran setzen, optimal trainiert in den Wettkampf zu starten. Ob er  aber nun wirklich eine Medaille holt, oder nicht, unterliegt nicht mehr seiner Kontrolle, da er gegen X andere mit dem gleichen Ziel antritt, und eben nur drei aufs Podest passen. Daher ist es ein vernünftigeres Ziel, im Training und Wettkampf sein Bestes zu geben, und den Rest dem Schicksal anheimzustellen.
Donald Robertson, Auto des Buches Stoicism and the Art of Happiness beschreibt dies als "Handeln mit Reserveklausel". Diese Klausel findet sich im religiösen Kontext oft als Formulierung wie "so Gott will" oder "Inschallah". "Ich werde die Goldmedaille holen, so das Schicksal es zulässt!"
Seneca bringt in diesem Zusammenhang das Beispiel des Bogenschützen. Dieser kann sich vor seinem Schuß optimal aufstellen, seinen Atem kontrollieren, sorgfältig zielen, exakt spannen, den Wind beachten, geschmeidig die Sehne aus den Fingern lösen...aber in dem Moment in dem der Pfeil fliegt liegt es nicht mehr in der Hand des Schützen, ob er sein Ziel trifft. Dieses bewegt sich vielleicht plötzlich, oder aber eine Windbö mit der niemand rechnen konnte verändert die Flugbahn des Pfeiles.
Von daher ist es vernünftig stets unser Bestes zu geben, Erfolg und Misserfolg aber den Göttern (oder wem auch immer ;-)) anheim zu stellen. Ob wir aber gute oder liebenswerte Menschen sind entscheidet sich auf einem anderen Schlachtfeld

Freitag, 7. Februar 2014

Der nervöse Kithara-Spieler

..oder angewandte Philosophie im Hier und Jetzt.

Seit einigen Monaten nehme ich Gitarrenunterricht. Etwa im November oder Dezember setzte mich mein Lehrer in Kenntnis darüber, dass ich im Februar an einem kleinen Konzert anwesend sein solle...allerdings nicht als Zuhörer wie ICH dachte, sondern als Teil der Vorstellung.
Sofort musste ich natürlich an Irvine denken, der in seinem Buch eine "banjo-recitation" scherzhaft als das Schlimmste bezeichnete, was er je erlebt habe.
Was soll ich sagen, ich war natürlich hypernervös. Wie würde das Publikum reagieren? Würde ich mich blamieren? Würde mein Gitarrenlehrer enttäuscht sein?
Alles Dinge die außerhalb meiner Kontrolle liegen. Das einzige was ich tun konnte war üben, üben, üben um optimal vorbereitet in die Situation zu gehen.

Epiktet bringt das Beispiel des nervösen Kithara-Spielers, der zwar alleine im stillen Kämmerlein sein Instrument hervorragend beherrscht, aber vor Publikum versagt. Sein Versagen allerdings rührt daher, dass er sich von äußerlichen, nicht seiner Kontrolle unterliegenden und damit "indifferenten" Dingen abhängig macht. Dem Wunsch dem Publikum zu gefallen oder auch einfach besonders "gut" zu spielen.

Aber GERADE der Wunsch, jetzt und hier BESONDERS gut zu sein, hindert uns daran unser Können frei fließen zu lassen.

Alle diese Gedanken halfen mir, meine Nervosität nicht überborden zu lassen. Als mein Auftritt gekommen war und ich mich auf die Bühne setzte, konnte ich mit Hilfe stoischer Einstellungen das Publikum weitestgehend ausblenden, und spielte einfach das was ich immer und immer wieder geübt hatte, so gut wie es in diesem Moment eben ging. Und siehe da, es war nicht perfekt, aber blamiert hatte ich mich auch nicht.

Freitag, 24. Januar 2014

Das wahrhaft Gute

Ich lese gerade dieses Buch. Auch wenn ich erst 36% davon gelesen habe(ebook-Reader macht eine so genaue Angabe möglich ;-)), halte ich es für sehr empfehlenswert.
Darin wird unter anderem eine sehr interessante Übung zum Thema "Was ist aus sich selbst heraus gut?" empfohlen. Dabei teilt man eine Blatt in zwei Spatlten, überschreibt die eine mit "BEWUNDERNSWERT", die andere mit "BEGEHRENSWERT".

In die Spalte "BEWUNDERNSWERT" schreibt man sämtliche Dinge, Eigenschaften u.ä. die man ehrlich und aufrichtig an Anderen bewundert, bzw. die unseren Respekt verdienen, oder Vorbildcharakter für uns haben.

In die Spalte "BEGEHRENSWERT" schreibt man auf, was man sich für sich selbst wünscht, was man erstrebenswert findet, wofür man tagsüber viel Zeit aufwendet, um es zu bekommen.

Dann lässt man das Ergebnis auf sich wirken. Bei mir sah das ungefähr so aus:


BEWUNDERNSWERT
BEGEHRENSWERT

-          Selbstdisziplin
-          Ordnungssinn
-          Verbale und rhethorische Fertigkeiten
-          Intelligenz
-          Zur eigenen Meinung stehen, trotz Gegenwind, aber auch sich durch gute Argumente überzeugen lassen können
-          Angstfreiheit vor Autoritäten
-          Ehre und Würde, auch wenn es Nachteile bringt (Ned Stark ;-))
-          Contenance
-          Selbstbeherrschung gegenüber kulinarischen, sexuellen und monetären Verführungen
-          Durchhaltevermögen (Wildnis, Campen, Marathonläufe)
-          Gleichmut
-          Gelassenheit
-          Innere Unabhängigkeit

-          Gutes Essen und Trinken
-          Sexuelle Abenteuer
-          „Freizeit“, „Ausruhen“, „ Wellness“
-          Verwöhnt werden
-          Gute Emotionen, Glück
-          Finanzielle Sorglosigkeit
-          Gutes Aussehenen/ positive Wirkung aufs andere Geschlecht
-          Mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel verdienen
-          Die Bewunderung anderer

Tja, was denn nun?

Mittwoch, 22. Januar 2014

Der weise Mann benötigt nichts, und kann doch von jedem Ding guten Gebrauch machen.
Der Narr benötigt zahllose Dinge und kann doch mit nichts davon etwas gescheites anfangen.

Chrysippus

Donnerstag, 9. Januar 2014

Die Würde des Menschen

ist unantastbar. So steht es im Artikel 1 des Grundgesetzes, und darüber bin ich sehr froh. Es bedeutet, dass kein Mensch diskriminiert, ausgegrenzt, gedemütigt oder gefoltert werden darf. Es bdeutet auch, dass jeder Mensch von Geburt an eine Würde hat, die heilig ist.

Auch die Kirchen betonen heutzutage die Menschenwürde, und legen besonderen Wert darauf, dass sich diese aus dem christlichen Menschenbild ableiten würde. In der (politischen!) Diskussion um Armut und Sozialleistungen des Staates betonen die Amtsträger insbesondere, dass die Würde des Einzelnen nicht an seiner Gesundheit, Arbeitsfähigkeit oder seiner Nützlichkeit für die Gesellschaft festmachen lasse.
Aber worin besteht diese Würde denn? Ein Wert, ein Begriff wie "Würde" oder auch "Treue" oder "Gerechtigkeit" schwebt ja nicht irgendwo im luftleeren Raum, sondern muss immer in konkretem Handeln sichtbar werden. Ich erlebe genug Menschen, die sich dieser Würde selbst berauben, indem sie beispielsweise volltrunken, von ihren eigenen Exkrementen bedeckt in der Gosse liegen.
Oder indem sie mit ihrem Verhalten für ihre Umwelt nur eine Belastung und Belästigung darstellen.
Indem sie sich Stück für Stück von der Glotze verdummen lassen, ihren Süchten fröhnen und allen anderen die Schuld für ihre Situation geben.

Tue ich einem Menschen wirklich einen Gefallen, wenn ich ihm versichere, dass er immer noch im Vollbesitz seiner Würde ist, egal wie sehr er sich gehen lässt?

Ich kannte mal eine Frau, die an multipler Sklerose im fortgeschrittenen Stadium litt. Sie verbrachte ihre Tage meist zu Hause und war auf komplette Rundumversorgung durch einen Pflegedienst angewiesen. Alles was sie noch konnte war lesen und telefonieren. Sie übernahm deshalb für ihren Verein die telefonische Rekrutierung und Einteilung von Vereinsmitgliedern für eine bestimmte regelmäßig wiederkehrende Aufgabe. Während dieser Telefonate zeigte sie sich als äußerst kluge und gebildete Frau, die auch manchen gute Rat auf Lager hatte. Diese Frau genoss den Respekt und die Dankbarkeit ihrer Umgebung und war trotz ihrer körperlichen Situation im Vollbesitz ihrer Würde.

Niemand kann uns an der Ausübung unserer Tugenden hindern.

Und niemand hindert uns daran, für die Gesellschaft von Nutzen zu sein. Niemand hindert uns daran, der alten Dame von nebenan die Zeitung vorzulesen, den Müll in dem kleinen Park wegzuräumen, Telefondienste zu übernehmen, Kuverts von Rundbriefen zu adressieren, bei öffentlichen Veranstaltungen zu helfen, alte Leute zu besuchen etc.

So klein der Dienst auch sein mag, Deine Würde bekommst Du indem Du Dich selbst beherrschst und etwas für andere tust. Und diese Würde muß auch jeden Tag von Neuem erworben werden.

Ohne praktizierte Tugenden jedoch bleibt Würde ein blutleeres, inhaltloses Lippenbekenntnis.


Gewöhnlich verachtet man freilich den, der nicht imstande ist, einem zu schaden. Es ist richtiger den zu verachten, der nicht imstande ist, zu nützen.

Epiktet- Unterredungen, Fragment 7

Freitag, 3. Januar 2014

Happy-End-Garantie?

Unser Kopf ist voll von Geschichten. Geschichten die wir gelesen, als Film im Kino gesehen oder als Aufführung im Theater gesehen haben. Eine gute Geschichte ist immer spannend, dramatisch, voller schicksalhafter Wechselfälle und geht meistens gut aus. Auch unsere Freunde und Familienmitglieder erzählen uns gerne gute Geschichten, die sie selbst erlebt haben. Dass dabei mal ein bisschen frisiert und dramatisiert wird schadet nichts, schließlich wollen wir als Zuhörer auch eine anständige Pointe. Und schließlich sind Geschichten unterhaltsam und lehrreich.

Was wir allerdings NIE tun sollten (und leider zu oft tun) ist, uns selbst Geschichten zu erzählen. Wenn wir unser Leben mit einem Roman verwechseln, werden unsere Erwartungen irrational. Dann glauben wir plötzlich, dass sich das Gute immer durchsetzt, oder dass es in unserem Leben nur DIE eine Liebe geben kann. Oder dass Emotionen wichtiger sind als Vernunft.
Wir geben dann den einfachen, nackten Tatsachen in unserem Leben schicksalhafte Bedeutungen. Oder vermuten Verhängnisse und Unheil, wo keines ist. Geben anderen Menschen die Schuld an unserer Situation, oder sehen weit zurückliegende Ereignisse als bestimmend für unser ganzes Leben an. Wir glauben dann vielleicht auch an den großen Retter, der unser Leben richten wird. Das kann der perfekte Partner, aber auch ein spiritueller Meister oder Seelsorger sein.

Die Dinge geschehen einfach im unabänderlichen Fluss der Atome und entziehen sich weitestgehend unserer Kontrolle. Unsere Urteile darüber jedoch stehen ganz in unserer Macht. Wenn wir uns Geschichten erzählen, die uns als Opfer beschreiben, oder als ohnmächtig einer Romanhandlung ausgeliefert, geben wir die einzige Macht ab, die wir haben.

Darum sollten wir uns darin üben, unseren inneren Dialog auf irrationale  (Lieblings-)Geschichten abzuhören, und uns nicht davor scheuen auch unsere Urteile über Vergangenes neu zu überdenken.

Das Leben ist einfach das Leben und kein Roman.