Ich lese gerade wieder diverse Veröffentlichungen zum Thema Gentleman. Wie ich in einem anderen Post bereits gesagt habe, gibt es sehr viel Deckungsgleichheit zwischen dem GM und dem Stoiker. Mark Aurel hat in seinen Selbstbetrachtungen viel über den Umgang mit seinen Mitmenschen geschrieben und forderte sogar, dass sich das Innere im Äußeren spiegeln solle. Er bezog es auf Körper und Mimik, aber hier sind wir nicht mehr weit weg von dem gepflegten Äußeren und der gelassenen Haltung des GM.
Nichtsdestotrotz stößt mir eine Sache bei der ganzen Etikette-Gentleman-Geschichte immer wieder auf: das zweckgebundene, auf ein bestimmtes Ziel gerichtete.
Sei ein Gentleman, und die Türen zum Traumjob, Traumhaus, zur Traumfrau und zur Traumgesellschaft steht Dir offen! Gewinne den Respekt und die Bewunderung der Anderen! Wirke überzeugend und überzeuge die Anderen!
Das nenne ich das UMZU-Problem. Ich benehme mich UM meine Wünsche ZU erfüllen. Ich kleide mich sauber und ordentliche UM sympathisch ZU wirken. Ich halte Türen auf, bringe Blumen mit, zahle im Restaurant UM Frauen ZU beeindrucken.
Abgesehen davon, dass Menschen sehr feine Antennen dafür haben, wann eine Handlung von Hintergedanken gesteuert wird, was ist, wenn gutes Benehmen und tugendhaftes Verhalten genau das Gegenteil des oben gesagten bewirken?
Wenn ich in einem kommunistischen Staat lebe, wo mir die Verkörperung des Gentlemans als Klassendünkel ausgelegt wird? Wenn ich im dritten Reich in der Straßenbahn für eine Jüdin den Sitzplatz räume und plötzlich als "Judenknecht" angefeindet werde? Oder wenn ich einfach in einer Umgebung lebe, die nur Spott und Hohn für meine Ambitionen übrig hat? Was ist, wenn mir das Wahre, Schöne und Gute nur Nachteile bringt? Lege ich es dann ab, weil ich es ja nur um des Vorteils willen verkörpern wollte?
Ein klares Nein! Bei den Stoikern geht es um mehr als nur den Karriere-Motor zu ölen. Nach ihnen gibt es außer der Tugend gar nichts Gutes, und ihr sollte ausschließlich um ihrer selbst willen nachgestrebt werden.
Das UMZU-Problem geht übrigens noch weiter: Laufen UM abZUnehmen; Zazen UM erleuchtet ZU werden; Singen UM berühmt ZU werden...wer bringt die Disziplin auf, um eines Fernziels willen Dinge zu tun die er hasst? Ich denke daher wir sollten ein gewisses amouröses Verhältnis zu den Dingen haben die wir tun, dann tun wir sie auch regelmäßig und gerne!
Die Tugend um ihrer selbst willen lieben? Das Richtige tun, weil die Belohnung dafür in der Handlung selbst liegt? Was für ein Quatsch, oder? Probiers doch einfach mal aus!
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