Für den Stoiker liegt das "Gute" und das "Schlechte" nur im eigenen Wollen und Streben. Als "Gut" zählen ausschließlich die 4 Kardinaltugenden Weisheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Tapferkeit. Die Kehrseiten dieser Tugenden, Narretei, Willkür, Unersättlichkeit und Feigheit sind "schlecht".
Da das was "Gut" oder "Schlecht" ist, per stoischer Definition auch unserer Kontrolle unterliegen muss, treffen diese beiden Wertungen nur auf unser Handeln, unser Denken und unser Wollen zu.
Alles andere ist "indifferent".
Also Fußball, Arbeitsplatz, Freunde, Krieg, Kinder, Wetter, Verkehr, Urlaub, Garten, Chaos, Sex, Essen, Leben, Krankheit, Pornographie, Musik, Kleidung, Umwelt ...und, und,und.
Alles indifferent, also egal?
Nun gibt es natürlich unter all diesen Dingen auch die sogenannten "bevorzugten" Dinge, also die, die wir natürlicherweise bevorzugen. So präferiert auch der Stoiker Gesundheit vor Krankheit, Familie/ Freunde vor Einsamkeit und gesunde Nahrung vor Hunger leiden.
Aber was ist mit dem ganzen Rest? Karten spielen oder andere Hobbies? Sport und Vereinsarbeit? Politische Betätigung oder Briefmarken sammeln?
Legt der Stoiker hier die Hände in den Schoß und zieht sich aus allem zurück weil ein Fußballspiel zum Beispiel nichts mit seiner Tugend zu tun hat? Ist er quasi wie gelähmt, wenn nicht gerade eine Tugend gefragt ist?
Vor einiger Zeit habe ich irgendwo die schöne Metapher des Töpfers gelesen. Der Stoiker ist der Töpfer und die indifferenten Dinge sind der Ton mit dem er arbeitet. Der Töpfer kann sich vor seiner leeren Drehscheibe die schönsten Gefäße in allern erdenklichen Formen ausmalen.
Greift er aber nicht zum Ton und beginnt zu arbeiten, entsteht nichts Greifbares aus seinen Vorstellungen, und seien sie auch noch so erhaben.
Umgekehrt hat der aber auch Ton auch keinen Wert an sich und keinerlei Intentionen, es ist ihm schlicht egal, was aus ihm wird.
Erst wenn der Töpfer den Ton auf seiner Drehscheibe bearbeitet, können aus ihm Teller, Töpfe, Krüge und andere Dinge von Schönheit und Wert entstehen.
Solange der Stoiker also still und passiv in seiner Kammer sitzt und die Hände in den Schoss legt, existiert seine Tugend nur irgendwo in seiner Vorstellung, im luftleeren Raum. Er kann die herrlichsten und ausgefeiltesten Definitionen der einzelnen Tugenden ersinnen, es bleibt doch nur Trug und Schein.
Erst in seinem Umgang mit den indifferenten Dingen bekommt er Gelegenheit seine Tugenden konkret zu verwirklichen und etwas von Wert zu schaffen.
Ein Fußballspiel zum Beispiel hat keinerlei Wert an sich. Erst wenn es von den Beteiligten im richtigen sportlichen Geist, getragen von Fairness, Selbstdisziplin, Tapferkeit und Akzeptanz des Ergebnisses ausgetragen wird, kann es ein "gutes" Spiel im stoischen Sinne werde.
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