Donnerstag, 19. Juni 2014

Die Suche nach Lust greift zu kurz!


Die Überschrift selbst tut es übrigens auch! Natürlich gibt es Situationen im Leben, in denen das Suchen nach Lust den Sinn einer Tätigkeit ausmacht. Sex ohne gezielt nach angenehmen Gefühlen zu streben ist für mich nicht vorstellbar.

Neulich hatte ich allerdings eine etwas intensivere Trainingsphase in der Kampfkunst die ich betreibe. Zu Beginn einer 2stündigen Einheit stellte ich fest, dass ich müde, durstig und lustlos war. Ich besann mich auf stoische Werte und beschloss, das Training trotzdem mit Anstand und Würde durchzuziehen, und es als  "voluntary discomfort" zu betrachten. Etwa eine Stunde später stellte ich fest, dass meine anfänglichen Beschwerden verschwunden waren, und ich mit Freude und Spaß trainierte.
Aus einer epikureischen Perspektive hätte ich niemals erwartet hier noch Lust zu finden, sondern hätte vielleicht das Training vorzeitig beendet. Nur dadurch, dass das Ziel ein Anderes war, nämlich Disziplin und Durchhaltvermögen zu zeigen, kam ich überhaupt an den Punkt an dem ich Spaß und Freude erfahren konnte.

Natürlich wird man jetzt einwenden, dass auch Epikur empfiehlt Unlust auf sich zu nehmen, um dafür größere Lust zu erfahren. Was aber ist, wenn im Vorfeld die zukünftige Freude garnicht zu erkennen ist? Neigt dann der Epikureer nicht dazu sich vorzeitig in sein Gärtchen zurück zu ziehen, während der Stoiker sich durchbeißt um seine Charakterstärke zu verbessern und am Ende möglicherweise (und unbeabsichtigt!) eine freudige Überraschung zu erleben?

Sonntag, 1. Juni 2014

Trifft ein Stoiker auf einen Epikureer

Hier findet sich ein kurzer, knackiger Text unter o.g. Titel. Der Autor drückt gut meine eigene Empfindung aus. Ich sehe mich im Denken und Handeln eher als Stoiker, im "moralischen" und metaphysischen Bereich aber eindeutig als Epikureer. So weit auseinander wie mancher glaubt, sind beide Positionen garnicht. Auch Seneca erwähnt die Lehre Epikurs lobend, betrachtet sie lediglich als von Schlemmern, Prassern und Säufern mißbraucht und entstellt.
Abstufungen in der Zielsetzung gibt es auch innerhalb der modernen Stoiker. Während Prof. Irvine in "A Guide to the Good Life" als Zielsetzung die "Seelenruhe" (tranquility), also einen angenehmen, erregungsfreien, wünschenswerten Gemütszustand setzt, möchte Donald Roberston in "The Art of Happiness" nur noch das Gute an sich, sprich die Tugend, als Ziel verstanden wissen.
Da Irvine sowohl bei der Negativen Visualisierung als auch bei der Selbstverleugnung (nicht christlich verstehen!) betont wie sehr einem diese Praktiken das Vorhandene wieder neu zu schätzen lehren, nähert er sich hier den Epikureern schon stark an, und wird von Robertson auch entsprechend kritisiert. Ich persönlich bevorzuge allerdings Irvines Standpunkt, da hier der therapeutische Effekt antiker Philosophie gewahrt bleibt.