Mittwoch, 26. Februar 2014

Kleines Kensho beim Laufen

Einfache und monotone Tätigkeiten, die eine permanente Wiederholung enthalten, sind laut Graf Dürckheim der Weg nach Innen. Was da Innen allerdings zu finden sein soll, darüber streiten sich die Gelehrten. Vom wahren ICH über den reinen Geist, das kollektive Unterbewußtsein, den göttlichen Funken bis hin zu NICHTS. Ich persönlich sympathisiere vor allem mit letzterem ;-).
Vor allem aber habe ich den Eindruck, dass Laufen oder Zazen meine Hirnchemie derart beeinflussen, dass Grundaussagen der Stoa oder des Konstruktivismus erfahrbar werden. Nicht die Dinge beunruhigen uns, sondern unsere Ansichten über die Dinge.
So kann das gleiche alte, verfallene Haus im einen Moment unsagbar deprimierend wirken, aber in einem anderen Moment mich in seiner tristen Schönheit tief berühren. Das Gehirn sucht eben immer äußere Gründe für seinen Zustand.
Heute habe ich während des Laufens einen Mann gesehen, der seinen Hauseingang geputzt hat. Die Schlichtheit der Tätigkeit, der Duft(sic!) des Putzwassers, die einfache Realität der Handlung hat ein kleines Lauf-Kensho ausgelöst.
Wer es kennt weiß wovon ich rede, wer nicht, dem werde ich es nicht begreiflich machen können.

Letztlich ist DAS der Geist der Haikus

Welch außerordentliches Wunder!
Ich hacke Holz,
Ich schöpfe Wasser aus dem Brunnen!


Dienstag, 18. Februar 2014

Schädliche Gedanken No 3


Und schließlich:
Ich denke: Es ist eine Katastrophe, wenn die äußeren Umstände so sind, dass ich etwas sehr entbehren muss oder weniger bekomme als ich mir wünsche oder dass ich zu lange und zu hart dafür arbeiten muss, damit meine Wünsche sich erfüllen.Ich kann ein Leben nicht ertragen, das mir mehr abverlangt als ich geben will; denn das ist nicht nur hart, das ist zu hart.Mein Leben ist elend und beklagenswert, wenn die Dinge falsch laufen und ich nicht genau das erreiche, was ich will, wann immer ich es will. Es ist so unerträglich, dass es nicht lebenswert ist. Ich könnte mich  genauso gut umbringen,  um diesen schrecklichen Umständen  zu entgehen.

Das nun ist allerdings derart verblendet, dass mir fast die Worte fehlen. Gelesen erscheint es mir fast zu doof, als dass dies jemand wirklich erntshaft denken könnte, und doch, im stillen Kämmerlein entdecke ich an mir durchaus solche Gedankenmuster.
Wer sind wir, dass wir glauben, der Sinn unseres Lebens bestehe in der Rundumversorgung unserer Bedürfnisse durch das Universum? Und wie verweichlicht und degeneriert sind wir, dass wir glauben keinerlei Entbehrungen ertragen zu können? Vor gerademal 70 Jahren wurde eine ganze Generation in einem sinnlosen Krieg verheizt und unser Land buchstäblich in die Steinzeit zurück gebombt, DAS sind elende Umstände.
Doch nichtsdestotrotz befinden wir uns alle in der hedonistischen Tretmühle, wie Irvine es nennt. Wir können nie genug bekommen und sind nie zufrieden. Und wenn Mutti Universum uns kein neues Smartphone schenkt, oder einen Arbeitsplatz genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten, oder eine neue Liebesbeziehung pünktlich zu den Feiertagen, dann setzen wir uns in die Ecke und schmollen.
Die Stoiker sahen den Weg zum Glück nicht im Erreichen aller unserer Ziele und der Erfüllung aller unserer Wünsche. Vielmehr strebten sie eine innere Haltung an, die uns zufrieden sein lässt mit dem, was wir haben und sind. Und die Härten des Lebens waren für sie willkommene Prüfsteine, die es ihnen ermöglichten, Tugenden wie Tapferkeit, Selbstdisziplin und Genügsamkeit zu entwickeln.

Merke: Benimm Dich im Leben wie bei einem Gastmahl. Eine Speise wird herumtragen und gelangt zu dir: du langst dir zu und nimmst mit Anstand davon. Sie wird vorüber getragen: du hältst sie nicht zurück. Sie ist noch nicht an dich gekommen: du unterdrückst dein Verlangen und wartest ruhig bis sie an dich kommt. So mach es deinen Kindern, deiner Frau, Ehrenstellen und Reichtümern gegenüber und du wirst ein würdiger Tischgenosse der Götter sein.

- Epiktet, Handbüchlein der Moral, 15


Mittwoch, 12. Februar 2014

Schädliche Gedanken No. 2

Das nächste schädliche Gedankenmuster:

Die Menschen, mit denen ich Kontakt habe, müssen mich freundlich und fair behandeln;Wenn sie das aber nicht tun, so muß man sie dafür zur Verantwortung ziehen bzw. sie  verurteilen und verdammen.Ich denke: Es ist schrecklich, wenn du mich weniger freundlich behandelst als du es solltest. Du bist ein ausgesprochen schlechter Mensch, wenn du mich weniger freundlich oder fair behandelst als du solltest.
Menschen behandeln uns mies. Sie sind unhöflich, beleidigend, betrügerisch, aufdringlich, unfreundlich, unfair, grob, verletzend und so weiter und so fort. Und das täglich, unser ganzes Leben lang. Und das offensichtlich nicht nur in sozialen Brennpunkten, sogar der einstmals mächtigste Mann der Erde hat diese Erfahrung in seinem Umfeld machen müssen. So schreibt der römische Kaiser Mark Aurel in seinen Selbstbetrachtungen:


Sage zu Dir in der Morgenstunde: Heute werde ich mit einem unbedachtsamen, undankbaren, unverschämten, betrügerischen, neidischen, ungeselligen Menschen zusammen treffen.
Das Verhalten der Anderen unterliegt nicht unserer Kontrolle. Wenn wir unsere Energie darin verschwenden, das Verhalten der uns umgebenden Menschen nach unseren Wünschen korrigieren zu wollen, schaffen wir uns damit eine nie versiegende Quelle der Frustration. Wenn wir darüber hinaus noch alle Menschen zur Rechenschaft ziehen wollen, die uns angeblich schlecht behandelt haben, vergiften wir unser Leben mit Hass, Rache und anderen unheilsamen Emotionen. Darum sehe ich Jesu Aufforderung zum Beten für unsere Feinde auch nicht in erster Linie als Verleugnung unserer eigenen Rechte und Standpunkte, sondern vor allem als Anleitung zur eigenen psychischen Gesundheit. Im Buddhismus gibt es Ähnliches, aber dazu ein andermal mehr.
So ergeht sich Mark Aurel auch nicht in der Vorwegnahme von Rache und zur Rechenschaft ziehen, sondern fährt fort:

Alle diese Fehler sind Folgen ihrer Unwissenheit hinsichtlich des Guten und des Bösen.
Er betrachtet seine unangenehmen Mitmenschen also weniger als böse und verdorben, sondern vielmehr als schlecht unterrichtet. Im Grunde nimmt er damit die Position eines Vaters zu seinen Kindern ein, der seine Kinder nicht als schlecht und verkommen ansieht, wenn sie sich nicht benehmen, sondern als der Erziehung und Anleitung bedürftig.

Ich aber habe klar erkannt, dass das Gute seinem Wesen nach schön, und das Böse hässlich ist, dass der Mensch der gegen mich fehlt in Wirklichkeit mir verwandt ist (...) weil wir gleichen Anteil an der Vernunft, der göttlichen Bestimmung (haben). Keiner kann mir Schaden zufügen(...).Ebensowenig kann ich dem der mir verwandt ist zürnen oder ihn hassen, denn wir sind zur gemeinsamen Wirksamkeit geschaffen, wie die Füße, die Hände, die Augenlider, wie die obere und untere Kinnlade. Darum ist die Feinschaft der Menschen untereinander wider die Natur. Unwillen aber  und Abscheu in sich zu fühlen IST eine Feindseligkeit (Hervorhebung von mir).

Mark Aurel sieht die Feindschaft gegen andere Menschen also als einen Verstoß gegen den stoischen Grundsatz in Übereinstimmung mit der Natur zu leben. Die Menschen sind vielmehr zur Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung geschaffen.

Das Verhalten unserer Mitmenschen ist zunächst mal eine nackte, unvermeidbare Tatsache, die jenseits unserer Kontrolle liegt. Propfen wir aber jetzt noch eigene Emotionen und Urteile auf diese Fakten, schaden wir am allermeisten uns selbst. Wir vergiften unseren Geist mit Hass und Feindschaft, und fallen aus dem naturgemäßen Leben heraus.


Sonntag, 9. Februar 2014

Schädliche Gedanken No 1

...und das stoische Gegenmittel.

Auf dieser Website habe ich drei schädliche Denkmuster entdeckt, die auf Albert Ellis den Gründer der REVT zurück gehen. Beim Lesen fiel mir zum Einen auf, wie sehr ich selbst von derartigen Denkmustern betroffen bin, aber auch wie die "Therapie" in Form stoischer Philosophie aussehen könnte.

Ich muss bei den Dingen, die ich tue, erfolgreich bzw. perfekt sein und muss die Wertschätzung und Anerkennung der Menschen haben, die mir wichtig sind.Ich denke: Ich bin nichts wert, wenn ich nicht erfolgreich bin und die anderen mich nicht wertschätzen.

Erfolg zu haben liegt außerhalb unserer Kontrolle. Erfolg ist von so vielen äußeren Faktoren abhängig, dass es nichts(!) gibt, was uns Erfolg garantieren kann. Nichtsdestotrotz gibt es Verhaltensweisen, die die Aussicht auf Erfolg, egal in welcher Hinsicht, zumindest erhöhen. Fleiß, Selbstdisziplin, Zielstrebigkeit, Leidenschaft um nur einige zu nennen.
Was baer, wenn trotz aller Bemühungen der Erfolg ausbleibt? Ist es dann vernünftig mich als Versager zu sehen, mein Leben als nicht mehr lebenswert zu betrachten und anderen ihren Erfolg zu neiden?
Der Stoiker setzt seine Bemühungen in den Bereichen ein, die seiner unmittelbaren Kontrolle unterliegen. Dazu gehören auch die oben genannten Verhaltensweisen. So wird ein Sportler für Olympia alles daran setzen, optimal trainiert in den Wettkampf zu starten. Ob er  aber nun wirklich eine Medaille holt, oder nicht, unterliegt nicht mehr seiner Kontrolle, da er gegen X andere mit dem gleichen Ziel antritt, und eben nur drei aufs Podest passen. Daher ist es ein vernünftigeres Ziel, im Training und Wettkampf sein Bestes zu geben, und den Rest dem Schicksal anheimzustellen.
Donald Robertson, Auto des Buches Stoicism and the Art of Happiness beschreibt dies als "Handeln mit Reserveklausel". Diese Klausel findet sich im religiösen Kontext oft als Formulierung wie "so Gott will" oder "Inschallah". "Ich werde die Goldmedaille holen, so das Schicksal es zulässt!"
Seneca bringt in diesem Zusammenhang das Beispiel des Bogenschützen. Dieser kann sich vor seinem Schuß optimal aufstellen, seinen Atem kontrollieren, sorgfältig zielen, exakt spannen, den Wind beachten, geschmeidig die Sehne aus den Fingern lösen...aber in dem Moment in dem der Pfeil fliegt liegt es nicht mehr in der Hand des Schützen, ob er sein Ziel trifft. Dieses bewegt sich vielleicht plötzlich, oder aber eine Windbö mit der niemand rechnen konnte verändert die Flugbahn des Pfeiles.
Von daher ist es vernünftig stets unser Bestes zu geben, Erfolg und Misserfolg aber den Göttern (oder wem auch immer ;-)) anheim zu stellen. Ob wir aber gute oder liebenswerte Menschen sind entscheidet sich auf einem anderen Schlachtfeld

Freitag, 7. Februar 2014

Der nervöse Kithara-Spieler

..oder angewandte Philosophie im Hier und Jetzt.

Seit einigen Monaten nehme ich Gitarrenunterricht. Etwa im November oder Dezember setzte mich mein Lehrer in Kenntnis darüber, dass ich im Februar an einem kleinen Konzert anwesend sein solle...allerdings nicht als Zuhörer wie ICH dachte, sondern als Teil der Vorstellung.
Sofort musste ich natürlich an Irvine denken, der in seinem Buch eine "banjo-recitation" scherzhaft als das Schlimmste bezeichnete, was er je erlebt habe.
Was soll ich sagen, ich war natürlich hypernervös. Wie würde das Publikum reagieren? Würde ich mich blamieren? Würde mein Gitarrenlehrer enttäuscht sein?
Alles Dinge die außerhalb meiner Kontrolle liegen. Das einzige was ich tun konnte war üben, üben, üben um optimal vorbereitet in die Situation zu gehen.

Epiktet bringt das Beispiel des nervösen Kithara-Spielers, der zwar alleine im stillen Kämmerlein sein Instrument hervorragend beherrscht, aber vor Publikum versagt. Sein Versagen allerdings rührt daher, dass er sich von äußerlichen, nicht seiner Kontrolle unterliegenden und damit "indifferenten" Dingen abhängig macht. Dem Wunsch dem Publikum zu gefallen oder auch einfach besonders "gut" zu spielen.

Aber GERADE der Wunsch, jetzt und hier BESONDERS gut zu sein, hindert uns daran unser Können frei fließen zu lassen.

Alle diese Gedanken halfen mir, meine Nervosität nicht überborden zu lassen. Als mein Auftritt gekommen war und ich mich auf die Bühne setzte, konnte ich mit Hilfe stoischer Einstellungen das Publikum weitestgehend ausblenden, und spielte einfach das was ich immer und immer wieder geübt hatte, so gut wie es in diesem Moment eben ging. Und siehe da, es war nicht perfekt, aber blamiert hatte ich mich auch nicht.