Mittwoch, 21. Mai 2014

Und wieder: Der Gentleman

Eben beim Laufen durchquerte ich einen der städtischen Parks und sah Menschen in der Sonne liegen und das Leben genießen. Es entwickelte sich ein Gedankengang über den (Arbeitstitel) Gentleman, den vollendeten Mann (sic!) den es in allen Kulturen gab und gibt. Vor die Wahl gestellt zwischen Lust und Pflicht, zwischen Arbeit und Muße, zwischen Askese und Schwelgen, würde dieser sagen:"Beides natürlich! Aber alles zu seiner Zeit!"

Und wie hieß dieser nahezu unbekannteWinkelphilosoph der mir da in den Sinn kam noch gleich? Ach ja, Aristoteles!

„Wer alles flieht und fürchtet und nirgends standhält, wird feige, wer aber nichts fürchtet und auf alles losgeht, wird tollkühn. Ebenso wird, wer jede Lust genießt und sich keiner Lust enthält, unmäßig, wer aber jede Lust meidet wie ein ungehobelter Bauer, wird unempfindlich.“

Lust als Lohn der Tugend (?)

Hier habe ich folgende Tabelle schon einmal erstellt:


BEWUNDERNSWERT
BEGEHRENSWERT
-          Selbstdisziplin
-          Ordnungssinn
-          Verbale und rhethorische Fertigkeiten
-          Intelligenz
-          Zur eigenen Meinung stehen, trotz Gegenwind, aber auch sich durch gute Argumente überzeugen lassen können
-          Angstfreiheit vor Autoritäten
-          Ehre und Würde, auch wenn es Nachteile bringt (Ned Stark ;-))
-          Contenance
-          Selbstbeherrschung gegenüber kulinarischen, sexuellen und monetären Verführungen
-          Durchhaltevermögen (Wildnis, Campen, Marathonläufe)
-          Gleichmut
-          Gelassenheit
-          Innere Unabhängigkeit
-          Gutes Essen und Trinken
-          Sexuelle Abenteuer
-          „Freizeit“, „Ausruhen“, „ Wellness“
-          Verwöhnt werden
-          Gute Emotionen, Glück
-          Finanzielle Sorglosigkeit
-          Gutes Aussehenen/ positive Wirkung aufs andere Geschlecht
-          Mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel verdienen
-          Die Bewunderung anderer

Dabei ging es darum, welche Dinge ich an Anderen bewundere, und welchen Dingen ich so im Laufe eines Tages nachjage. Ziel des Ganzen war, das wahrhaft Gute, sozusagen das einzig erstrebenswerte Gut  in diesem Leben auszumachen. Die Stoiker würden nun sagen, in der linken Spalte befindet sich das, was man erstreben sollte, für den Inhalt der rechten Spalte hätten sie wohl nur Verachtung übrig. Die Hedonisten, allen voran die Kyrenaiker würden dagegen der rechten Spalte den Vorzug geben, und ihren Inhalt als äußerst erstrebenswert erachten. Das ist natürlich sehr vereinfacht und holzschnittartig dargestellt.

Ich denke, dass sich beide Spalten aufeinander beziehen. Oder anders gesagt, ich brauche die Fähigkeiten der linken Spalte um die Güter der rechten zu erlangen. Gleichzeitig brauche ich die Wertschätzung für die rechte Spalte, um mich nicht in Pflichten und Tugenden völlig aufzureiben.
So stellt die rechte Spalte gewissermaßen die Früchte und den Lohn für die Tugenden in der linken dar, wobei ich diese Früchte dann nicht weltverachtend von mir weise, sondern gerne genieße.

Da mich das Thema Männer(-Frauen) immer wieder beschäftigt, wähle ich ein Beispiel aus diesem Bereich aus:
Sex ist super, Sex ist klasse, Sex ist in höchstem Maße erstrebenswert. Trotzdem existieren Begriffe wie Hallodri, Grabscher, Spitzklicker, Notgeiler etc. in der Damenwelt, mittels derer jemand der zu offensichtlich nach Sex giert verunglimpft wird. Ja, auch wenn das völlige Verhehlen der Tatsache ,dass man ein MANN ist ebenfalls kontraproduktiv ist, so finden die meisten Frauen das allzu offensichtliche Streben nach dem Geschlechtsakt ziemlich abtörnend. Ich kenne auch keine Frau, die sich von genussverfallenen Weichlingen angezogen fühlt. Nicht umsonst stehen die Mädels auf Männer in Uniform! Das liegt nicht am schönen Lametta!
Verkörpert der Mann allerdings klassische Gentleman-Tugenden, wie Manieren, Mut, Contenance und Understatement, pflegt er sich selbst, ist er charmant und selbstsicher, dann öffnen sich möglicherweise Türen, wo vorher keine zu sein schienen.
Ich widerspreche mir mit diesem Post selbst, aber ich glaube nicht, dass es im formlosen Universum ein Reich der höheren Ideale gibt, aus dem sich das Gute und die Tugenden herleiten lassen. Ich glaube an handfeste, innerweltliche Gründe für Tapferkeit, Durchhaltevermögen und so weiter. Sei es der Erhalt des eigenen Lebens, der Ehre der Frau an Deiner Seite oder auch des Staates, dem Du Deine Freiheit verdankst. Wenn das Leben Dich für Deinen Einsatz aber belohnen möchte, nimm den Lohn an!